Stefan Matysiak: 

Uni-Nutzung und Nutzungsgebühren als Machtfrage. 
Studierende sollen Nutzungsgebühren entrichten, Professoren nutzen die Universitätsressourcen weiterhin kostenlos. 
 

Der vollständige Text findet sich in: 
Thomas Ernst u.a. (Hg.): Wissenschaft und Macht. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2004, S. 306-314.

Gliederung
   Die Debatte über Nutzungsgebühren für Studierende
   Die Privatisierung der Hochschulressourcen durch die Professoren
   Die Tabuisierung von Nutzungsgebühren für die Professoren
   Umverteilung von unten nach oben
   Literatur

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Die Debatte über Nutzungsgebühren für Studierende

Die deutschen Hochschulen, so die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), stehen im Zeichen eines Paradigmenwechsel, der sich in einer weitgehenden Ökonomisierung des wissenschaftlichen Betriebes äußere. Diese Ökonomisierung führe „zu einer stärker wettbewerbs- und ergebnisorientierten Hochschulsteuerung mit Zielvereinbarungen, Hochschulverträgen und flexibilisierten Hochschulhaushalten“. Hintergrund dieses Paradigmenwechsels ist die Auffassung, „dass Hochschulen, die von ihrer durchschnittlichen Größe her mittleren Wirtschaftsunternehmen entsprechen, nach dem zentralistisch-bürokratischen Modell nicht effektiv und effizient gesteuert werden können“ (HRK 2003). Die Ökonomisierung des Blicks auf die Hochschulen, die in diesem Zuge an Anforderungen ausgerichtet werden, wie sie an Wirtschaftsunternehmen gestellt werden, geht mit einer zunehmenden Akzeptanz von Studiengebühren einher. 

Studiengebühren sollen dabei einerseits als marktwirtschaftliches Steuerungsinstrument wirken und „in einem zunehmend marktorientierten System“ die Rolle von Preisen übernehmen, um die Hochschulen zu einem „bedarfsgerechten und innovativen […] qualitativen Wettbewerb“ zu veranlassen (ebd.). Andererseits müssen als zentrales Argument für eine Finanzierung der Hochschulen durch Studiengebühren auch soziale Komponenten herhalten wie „die Beseitigung von Verteilungsungerechtigkeiten“. Eine solche „soziale Verzerrung“ (Landfried 2002a) sei etwa eingetreten, indem „das gebührenfreie Studium von heute eine Umverteilung in die falsche Richtung bewirkt“: Das Studium nutze durch „einen uneinholbaren Einkommensvorsprung gegenüber anderen Qualifikationen“ allein den Hochschulabsolventen, werde aber „in erster Linie durch die steuerlichen Abgaben von Nicht-Akademikern“ finanziert (HRK 2003).

Daneben sollen Studiengebühren den Hochschulen aber vor allem als Einnahme dienen, um den Akademikernachwuchs sicher zu stellen und einen Beitrag zum Ausbau der Universitäten zu leisten: „In Zeiten knapper öffentlicher Kassen wird dies ohne private Einnahmen kaum möglich sein“ (ebd.). Die Professorenschaft hat bei ihren Forderungen nach einer Ko-Finanzierung der Hochschulen durch Studiengebühren „vor allem die Steigerung der Qualität der Lehre im Interesse der Studierenden im Blickfeld“ (Landfried 2002a). Wenn die Studiengebühren „den Hochschulen zur eigenständigen Verfügung verbleiben,“ so eine frühe Hoffnung der Befürworter von Studiengebühren, „werden damit erhebliche Spielräume für eine bessere Ausstattung der Hochschule im Bereich der Lehre, für die Überbrückung personeller Engpässe, für die Anschaffung von Literatur etc. geschaffen, sofern die Länder ihre Hochschulfinanzierung nicht vermindern“ (Uni Stuttgart 1995).

Studiengebühren erhalten auf diese Weise den Stellenwert einer gesellschaftlich gerechten Finanzierungsform für die finanziell ausgebluteten und auf neue Finanzquellen angewiesenen Hochschulen zugewiesen. Sie gelten als legitimes Finanzierungsinstrument in einer neuerdings durch eine Verwirtschaftlichung geprägten Bildungsdiskussion.

Die Privatisierung der Hochschulressourcen durch die Professoren

Die Debatte über diese Ökonomisierung der Hochschulen (siehe Landfried 2002b) übersieht allerdings, dass die Hochschulen bereits seit Jahrzehnten ökonomischen Zwecken dienen, denn „die deutschen Hochschulen sind schon lange keine marktfreien Räume mehr“ (Uchatius 1999: 71). Der „Lebenszweck der Universität: die zweckfreie Suche nach Erkenntnis“ (Limbach 2001) ist in Deutschland seit Jahren eine Zwecklüge. Bereits anfangs der 70er Jahre stellte das Bundesverfassungsgericht ein „Spannungsverhältnis zwischen der Universität als ‚Stätte der reinen und zweckfreien Wissenschaft‘ und den Ansprüchen einer zunehmend technologisch organisierten Industriegesellschaft sowie der erschwerten Studiensituation in der modernen Massenuniversität“ fest (ebd.). In diesem Spannungsverhältnis sah sich zwar die höchste deutsche Gerichtsbarkeit gefangen, nicht jedoch die Professorenschaft. Jenseits des vom Verfassungsgericht erkannten Spannungsverhältnisses hatten die zentralen Akteure längst mit einer Umverteilung der ihnen anvertrauten staatlichen Ressourcen begonnen: Die an die Hochschulen strömenden Gelder wurden zu einem Teil für die Lehre verwendet, zu einem großen Teil aber im Rahmen der Freiheit von Forschung und Lehre (Art. 5 Grundgesetz) durch die Professorenschaft zu privaten Erwerbszwecken genutzt und dadurch dem Hochschulsystem entzogen.

Hintergrund der Privatisierung der universitären Ressourcen ist jener aus der Freiheit von Lehre und Forschung abgeleitete Status, der den Hochschullehrern große Freiräume bietet: „Hochschullehrer haben eine sehr große Autonomie bei gleichzeitig sehr geringen Kontrollen, d.h. sie können diese Freiräume individuell gestalten. Sie können die Erfüllung ihrer Pflichten auf ein Mindestmaß reduzieren, ohne daß dies zu Einkommenseinbußen führt. Sie können diesen Freiraum zum ‚Faulenzen‘ nutzen, oder in dieser Zeit ihr Gehalt durch Nebentätigkeiten vervielfachen“ (Caspari 2000: 4). 

Diese Nebentätigkeiten - das privatwirtschaftliche Agieren neben den eigentlichen Lehr- und Forschungsverpflichtungen - binden jedoch bei einem Teil der Professoren jene Ressourcen, die eigentlich für die Lehre bestimmt sind. Die einzigen die diese Nebentätigkeit bislang regelmäßig thematisierten, die Medien, stellen dazu etwa fest, dass „sich die Einkünfte von Professoren oft um ein Vielfaches [unterscheiden] - allerdings nicht durch das staatliche Gehalt, sondern auf Grund von Nebentätigkeiten, die oft zu Lasten des Lehrauftrags gehen“ (Mohr 1999: 115). Die neben dem Beamtensalär zu erzielenden Einkünfte sind teilweise lukrativer als die Gehaltsstufen C3 oder C4. Psychologen kommen an den Universitäten auf Jahresumsätze von mehreren Millionen (vgl. Sieber 1999), an den Fakultäten für Medizin sind „Jahreseinkommen bis zu zehn Millionen Mark keine Seltenheit“ (Frank-Ulrich Montgomery, zit. n. Lizenz zum Gelddrucken 1994: 92). Biologen haben Geschäftsführerposten in der freien Wirtschaft inne (vgl. Uchatius 1999: 71), Sozialwissenschaftler erzielen Zusatzeinkommen aus Aktivitäten in wissenschaftlichen Kommissionen oder durch Beratungstätigkeiten. Naturwissenschaftler kassieren „mehrere zehntausend Mark für ein Gutachten. […] Volkswirte beraten Interessenverbände der Industrie, Architekten wickeln Bauvorhaben ab - alles hoch bezahlte Jobs“ (Mohr 1999: 115). Selbst die auswärtige Vortragstätigkeit von Germanisten wird zusätzlich zum Beamteneinkommen mit jeweils einigen Tausend Euro honoriert.

Was als Nebentätigkeit deklariert ist, nimmt dabei einen großen Teil der Lehr- und Forschungszeit in Anspruch: „Der Terminus ist allerdings verniedlichend. Viele Nebentätigkeiten sind Haupttätigkeiten. […] Die universitäre Tätigkeit schmilzt dann auf ein Minimum“ (Priddat 1998: 378). Diese Nebentätigkeiten sind bei vielen Professoren zur zentralen Beschäftigung geworden, weshalb seit langem an den Fachhochschulen der größte Teil der Drittmittelforschung durch Nebentätigkeiten erfolgt (vgl. HRK 1993) und damit auf eigene Rechnung der Professoren. Ohne die Erlaubnis zu einer solchen lukrativen Forschungsfreiheit sind die Professorenstellen nicht einmal mehr ausreichend zu besetzen: An den Fachhochschulen dient die Genehmigung, Nebentätigkeiten ausüben zu können, „auch der Wettbewerbsfähigkeit der Fachhochschulen bei der Gewinnung qualifizierten Personals“ (ebd.). 

In einzelnen Fachbereichen findet zugunsten dieser Nebentätigkeiten überhaupt keine reguläre wissenschaftliche Forschung mehr statt. So nahm „der Ausschuss für Haushalt und Finanzen […] davon Kenntnis, dass die Entwurfs-Institute der Architekturfachbereiche zweier Universitäten keine Forschung im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben durchführen, sondern die Nebentätigkeit in den privaten Architekturbüros der Hochschullehrer als ‚Forschung‘ ansehen“ (Niedersächsischer Landtagsausschuss für Haushalt und Finanzen 2000: 13).

Diese privaten Zuverdienste erfolgen dabei jedoch nicht nur während der staatlich bezahlten Arbeitszeit, sondern auch mit den staatlich zur Verfügung gestellten Ressourcen, wie Kommunikationsmittel, Laboreinrichtungen, wissenschaftliche Mitarbeiter. „Weil Professoren, die es gar nicht nötig haben, den Hals nicht voll bekommen, beauftragen sie für ihre Nebenjobs sogar ihre Sekretärinnen mit Schreibarbeiten“ (Peter Grottian, zit. n. Reiz 1998).

Für die privatwirtschaftliche Nutzung der vom Staat zur Verfügung gestellten universitären Ressourcen haben die Professoren nach den Nebentätigkeitsverordnungen der Länder eine Nutzungsgebühr an die Universitäten abzuführen. Die niedersächsische Hochschulnebentätigkeitsverordnung sieht etwa eine Nutzungspauschale von 15 Prozent des Umsatzes für die Inanspruchnahme von staatlichem Personal sowie von 7,5 Prozent für die Nutzung von Einrichtungen und Material der Universitäten vor (§ 10, HNtVO), an den Medizinfachbereichen sind 20 Prozent abzuführen (§ 3, HNutzVO-Med), was jedoch auch höher oder niedriger angesetzt werden kann.

Für die Professoren bedeutet dieser Satz, dass lediglich rund 20 Prozent des Umsatzes als Unkosten anfallen, der Rest sind Gewinne. Die nebenberuflich erwirtschaftete Umsatzrendite liegt mithin bei 80 Prozent. „In der Regel muss ein Hochschulprofessor von seinen am Markt erzielten Einkünften gerade einmal 15 % für Material, Personal und Geräte an die Hochschule abführen, der Rest wandert direkt als Unternehmerlohn in seine Tasche“ (Sven Deeg, Deutscher Verband unabhängiger Prüflaboratorien, zit. n. Lembach 1998). Bei frei am Markt aktiven Unternehmen (die also nicht an die Universität angebunden sind) liegt der Anteil der Unkosten hingegen bei rund 90 Prozent, weshalb diese Unternehmen angesichts der vom Staat subventionierten professoralen Konkurrenz nur noch sehr eingeschränkt konkurrenzfähig sind. 

Angesichts der niedrigen Unkosten agieren Professoren auf dem Markt mit Dumpingpreisen. „Die Unlauterkeit liegt […] darin, daß öffentliche Mittel entgegen ihrer Zweckbestimmung dazu verwendet werden, die Preise der Gewerbetreibenden zu unterbieten“ (NRW-Wirtschaftsministerium, zit. n. Lembach 1998). So entstehen einerseits aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive hohe volkswirtschaftliche Schäden durch unlauteren Wettbewerb sowie zusätzlich eine Schädigung der Wettbewerbsordnung (Auskunft Nieders. Landesrechnungshof, 2.5.2000). Andererseits entstehen durch die professoralen Nebentätigkeiten jedoch auch für die Universitäten große finanzielle Verluste. Allein der Verband der unabhängigen Prüflaboratorien schätzt den für die Universitätsinstitute in dem Wirtschaftsbereich Laborleistungen entstehenden Schaden „auf einen dreistelligen Millionenbetrag“ (Auskunft Sven Deeg, Deutscher Verband unabhängiger Prüflaboratorien, 18.4.2000). Zu solchen Schäden kommt es auch, wenn Professoren in privater Nebentätigkeit Forschungsprojekte für Dritte bearbeiten. „Häufig aber fließt bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen substanzielles, in der Hochschule über viele Jahre mit staatlichen Mitteln erarbeitetes Wissen an ein einziges Unternehmen, das vertraglich die Nutzungsrechte erwirbt (und die Erfindervergütung übernimmt)“ (HRK 1997b). Eine Gesamtübersicht über die Verluste ist gleichwohl nicht einmal den Landesrechnungshöfen möglich (Auskunft Nieders. Landesrechnungshof, 2.5.2000), sie dürften jedoch Milliardenhöhe erreichen.

Bereits die bei Nebentätigkeiten regulär abzuführenden Nutzungsgebühren bedeuten für die Hochschulen hohe finanzielle Verluste, da lediglich ein geringer Teil der entstehenden Unkosten von den Professoren beglichen wird. Doch selbst diese geringen Nutzungsgebühren werden von den Universitäten nur im Einzelfall wirklich auch erhoben. „Der Eifer der Hochschulen, diese Nutzungsgebühren einzutreiben, ist nach unseren Prüfungserfahrungen recht gering“ (Auskunft Nieders. Landesrechnungshofes, 2.5.2000). Klagen über die unzureichende Festsetzung der Nutzungsgebühren durch die Universitäten finden sich deshalb regelmäßig: „Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen missbilligt die im Verwaltungsbereich der Tierärztlichen Hochschule aufgetretenen Bearbeitungsmängel, die zur unzureichenden Festsetzung von Nutzungsentgelt und damit zu einem Schaden des Landes geführt haben“ (Niedersächsischer Landtagsausschuss für Haushalt und Finanzen 2000: 3). Bei einem großen Teil ihrer Nebengeschäfte fallen für die Professoren auf diese Weise überhaupt keine Kosten an. „‘Freiheit der Lehre und Forschung‘ bedeutet im Klartext: Freiheit von Miet-, Kommunikations-, Einrichtungs- und Personalkosten“ (Sieber 1999). 

Hintergrund der unzureichenden Beteiligung der Universitäten an den Erträgen der Professoren ist seit langem die Konkurrenz der Hochschulen untereinander. Die Universitäten haben Angst, nebentätige Professoren bei einer realistischen Festsetzung der Unkosten an andere Hochschulen zu verlieren (Auskunft Nieders. Landesrechnungshof, 2.5.2000). Zudem erfolgt die Kontrolle der Nebentätigkeiten ausgerechnet durch diejenigen, die diesen Nebentätigkeiten nachgehen: Die Selbstkontrolle der Professoren verhindert ein effektives Eintreiben der Unkostenbeteiligungen.

Angesichts dieser Selbstkontrolle bleiben auch Vorschläge aus der Professorenschaft selbst chancenlos, wie der von Priddat (1998), der die finanzielle Lage der Hochschulen durch Nutzungsgebühren für das Führen des akademischen Titels verbessern wollte: „Um Professoren wie in Amerika darin zu unterstützen, daß sie ihr Wissen ‚für die Gesellschaft‘ einsetzen, und um gleichzeitig die Universität davon profitieren zu lassen, könnte folgende Idee helfen: Wer seinen Professorentitel für private, gewerbliche Erwerbseinkommenserzeugung verwendet, zahlt an den Vergeber des Titels - also an die Universität - eine Nutzungsgebühr“ (Priddat 1998: 379).

Die Tabuisierung von Nutzungsgebühren für die Professoren

Dass „die Privatisierung des Wissens in Form professoraler Erwerbstätigkeit […] eine dem Konzept der Hochschule konträre Idee“ ist (Priddat 1998: 378), ist in den vergangenen Jahrzehnten an den Universitäten weitgehend ignoriert worden. Professoren und Studierende wehren sich zwar gemeinsam gegen eine Ökonomisierung der Hochschulen, da die „angestrebte Orientierung wissenschaftlicher Lehre und Forschung an marktwirtschaftlicher Verwertbarkeit […] u.a. eine gefährliche Privatisierung des Wissens [zeitigt], womit die Verfügung über Forschungsergebnisse und die damit einhergehende gesellschaftliche Verantwortung den Käufern, also den Konzernen obliegt“ (Fachschaft Sozialwissenschaften 2000). Anders als die zukünftig angetrebte wird die bereits bestehende marktwirtschaftliche Verwertung und Privatisierung des Wissens jedoch von keiner Seite thematisiert. 

Die entscheidende Frage ist: „Wir reden über Studiengebühren; warum nicht auch über Forschungsgebühren für gewerbliche beziehungsweise marktorientierte Forschung?“ (Priddat 1998: 378) 

Die universitäre Reformdebatte leidet in diesem Fall unter der Definitionsmacht der Professoren, deren Vorstellungen von Finanzautonomie und wirtschaftlicher Nutzung der Hochschulressourcen allein die Diskussion prägen. Private Nebentätigkeit und Forschung aus öffentlichem Interesse werden, um die Beschneidung der privatwirtschaftlichen Freiheiten und damit der professoralen Autonomie abzuwehren, gleichgesetzt. Die private Nebentätigkeit wird dabei zum öffentlichen Vorteil gewendet, gleichzeitig werden die finanziellen Aspekte ausgeblendet. „Natürlich würden diese Professoren darauf verweisen, daß sie forschen. Aber sie tun es für Geld, außerhalb ihres Arbeitsauftrages. Die amerikanische Idee, Professoren natürlich zu ermuntern, ‚für die Gesellschaft‘ zu arbeiten und gut zu verdienen, aber davon gehörige Teile (bis zu fünfundsiebzig Prozent) an die Universitäten abzuführen, wird in der Neigung, amerikanische Universitäten als Modell für Deutschland zu sehen, interessanterweise übersehen“ (Priddat 1998: 378).

In den zurückliegenden Jahren war diese privatwirtschaftliche Nutzung der universitären Ressourcen durch die Professoren nicht debattierbar. Professoren sahen die Verwendung der Mittel als ureigenstes Recht an, das ihnen aus ihrer absoluten Verfügungsgewalt über die Hochschulen zustand. Öffentlichkeit und Studierende akzeptierten diese Macht. Die Folge ist, dass die Professoren trotz der sich verschlechternden finanziellen Situation an den Hochschulen für ihre privatwirtschaftlichen Interessen nicht weniger, sondern immer mehr Spielraum bekommen, wie die Genese der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes zeigt. Dort wurde im Regierungsentwurf die Streichung einer Passage vorgeschlagen, wonach „Zehn vom Hundert des Entgelts für eine wissenschaftliche Nebentätigkeit […] an die Hochschule abzuführen“ sein sollten und „je nach Inanspruchnahme von Personal, Sachmitteln und Einrichtungen durch die Nebentätigkeit eine höhere Abführung“ festgelegt werden sollte. Das neue Gesetz verlangt lediglich noch „ein angemessenes Nutzungsentgelt“ (Uni Kassel 2000).

Umverteilung von unten nach oben

Die Gegenwart ist jedoch von einem verstärkten Verteilungskonflikt um öffentliche Gelder geprägt. Zwar zielt ein Teil der öffentlichen Diskussion auch darauf ab, die Ausgabenwirksamkeit der Bildungsinvestitionen zu erhöhen. Den Universitäten bzw. einzelnen Instituten soll jedoch im Zuge der Universitätsreformen zugleich ein höheres Ausmaß an finanzieller Autonomie gewährt werden (vgl. Sachverständigenrat Bildung 1998: 39). Im Machtspiel der Universitäten profitiert davon erneut die Professorenschaft, deren Macht über die Verwendung der Hochschulgelder trotz der knapper werdenden Mittel undiskutiert und damit unangetastet bleibt. Die Professorenschaft profitiert davon, dass die (auch studentische) Öffentlichkeit finanzielle Aspekte des Universitätsbetriebs nur aufzugreifen gewillt war, solange es um eine verbesserte Mittelausstattung und nicht um die Verwendung dieser Mittel ging.

Da sich angesichts der universitären Machtverhältnisse auf der Ausgabenseite an der Nutzung der universitären Mittel nichts verändern kann, wird es angesichts der ansteigenden Finanznot notwendig, den Universitäten zum Erhalt der Leistungsfähigkeit im Bereich Forschung, Lehre und privaten Nebenverdiensten neue und bislang nicht genutzte Finanzquellen zu erschließen. Entsprechend der gesellschaftlichen Machtposition, über die die Professorenschaft verfügt, führen die finanziellen Zwänge jedoch ausdrücklich nicht zu einer effektiveren Nutzung der universitären Ressourcen, sondern zu einer Belastung der Schwächsten, der Studierenden, die Studiengebühren entrichten sollen. Ein Umgang mit der Finanzkrise, der gleichzeitig auch die Professoren belastet, ist derweil nicht möglich.

Die gesellschaftliche Macht, über die die Professorenschaft in der Debatte der Hochschulfinanzierung verfügt, zeigt sich in der Argumentationsweise, mit der auf der einen Seite die Belastung der Schwächsten hergeleitet wird, andererseits aber den Professoren große finanzielle Spielräume eröffnet werden. Während einerseits Nutzungsgebühren durch Studierende als notwendig erachtet werden, um die finanziellen Bedingungen an den Universitäten zu verbessern und der Forschung und Lehre neue Mittel zuzuführen, gerät andererseits gerade dieses Finanzargument in vollständig aus der Sicht, wo es um jene Mittelabflüsse geht, die die Universitäten durch die Professoren erleiden müssen. Diese im Rahmen der professoralen Nebentätigkeiten zu verzeichnenden Mittelabflüsse werden nicht unter finanziellen Gesichtspunkten diskutiert, sondern - wenn überhaupt - unter dem Blickwinkel der Regionalentwicklung oder anderen übergeordneten öffentlichen Zwecken gesellschaftlich gerechtfertigt: „Mit diesen Nebentätigkeiten folgen die Professorinnen und Professoren aber nicht nur ihren privaten Erwerbsinteressen. Sie dienen damit auch öffentlichen Interessen, da sie ihre besonderen Fähigkeiten und aus der Forschung gewonnene Erkenntnisse in den Wirtschaftsprozess einbringen und somit ihre Arbeitsergebnisse nutzbar machen. Der Austausch ist […] von großer Bedeutung für die Entwicklung einer Region. Aus diesen Gründen ist die Förderung des Technologietransfers zwischen Hochschulen und der Wirtschaft als politisches Ziel erkannt worden […]“ (Mitteilung Nieders. Wissenschaftsministerium, 7.4.2000). Einerseits werden so die von den Professoren zu entrichtenden Nutzungsgebühren aufgrund übergeordneter Gründe weiterhin als illegitim betrachtet, gleichzeitig werden die ersatzweise von den Studierenden erhobenen Nutzungsgebühren mit ebenfalls übergeordneten Gründen legitimiert. Studiengebühren „würden für etwas mehr Gerechtigkeit sorgen, weil diejenigen für die Uni bezahlen, die sie wirklich benutzen“ (Oppermann 2000). Im Ergebnis entsteht an den Universitäten ein Kapitalfluss, der von den Studierenden über die Universitäten zu den Professoren führt – eine Umverteilung der finanziellen Mittel an den Hochschulen von unten nach oben, von den Schwächsten zu den Mächtigen.
 

Literatur

  • Caspari, Volker (2000): Kontrolle und Leistungsprämien: Effizienzsteigerungen oder negative Auslese und Effizienzverlust? Einige institutionenökonomische Anmerkungen zur Dienstrechtsreform an den Hochschulen. TU Darmstadt Discussion Papers in Economics, Nr. 105.
  • Fachschaft Sozialwissenschaften (2000): Hochschulpolitische Erklärung der Konferenz zur ‚Zukunft der Sozialwissenschaften in Hannover‘. Erklärung von Lehrenden und Studierenden des Fachbereiches Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften. Aus: www.stud.uni-hannover.de/gruppen/fs-sowi/hopoerkl.htm, Ausdruck vom 14.8.2003. 
  • HNtVO (Nieders. Verordnung über die Nebentätigkeit des beamteten wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen/Hochschulnebentätigkeitsverordnung), 23.2.1997.
  • HNutzVO-Med (Nieders. Verordnung über das Nutzungsentgelt bei Nebentätigkeiten in der Krankenversorgung in humanmedizinischen Einrichtungen der Hochschulen des Landes/Hochschulnutzungsentgeltverordnung Medizin), 19.4.1995.
  • HRK (1993): Stellungnahme des 170. Plenums vom 12. Juli 1993. Zur Forschung in den Hochschulen. Aus: www.hrk.de/beschluesse/1801.htm, Ausdruck vom 12.8.03.
  • HRK (1997a): Stellungnahme des 183. Plenums vom 10. November 1997. Zur Rolle der Absolventenvereinigungen. Aus: www.hrk.de/beschluesse/2030.htm, Ausdruck vom 12.8.03.
  • HRK (1997b): Entschließung des 183. Plenums vom 10. November 1997. Zum Patentwesen an den Hochschulen. Aus: www.hrk.de/beschluesse/2020.htm, Ausdruck vom 12.8.03.
  • HRK (2003): Im Brennpunkt: Studiengebühren. Aus: www.hrk.de/166.htm, Ausdruck vom 12.8.03.
  • Kraßer, Rudolf (2002): Die neuen Vorschriften über Hochschulerfindungen. Aus: www.hochschulverband.de/cms/fileadmin/pdf/rest/hochschulerfindungen.pdf, Ausdruck vom 10.8.03.
  • Landfried, Klaus (2002a): Qualität durch Wettbewerb. Jahresbericht des Präsidenten Professor Dr. Klaus Landfried für das Jahr 2001. Hrsg. v. der HRK. Aus: www.hrk.de/beschluesse/1641.htm, Ausdruck vom 12.8.03.
  • Landfried, Klaus (2002b): Wozu noch Geisteswissenschaften? Vortrag von HRK-Präsident Professor Dr. Klaus Landfried im Rahmen der Vortragsreihe des European Institute for International Affairs "Die Krise der deutschen Universitäten und die Zukunft der Sozial- und Geisteswissenschaften", Heidelberg, 11.7.2002. Aus: http://www.hrk.de/2869.htm, Ausdruck vom 13.8.03.
  • Lembach, Andreas (1998): Professoren machen der Wirtschaft Konkurrenz. Wissenschaft: Hochschullehrer unterbieten die Angebote von Privatunternehmen. In: VDI-Nachrichten, 25.9.98.
  • Limbach, Jutta (2001): Autonomie und Reform. Vortrag von Prof. Dr. Jutta Limbach, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, auf der Jahresversammlung der HRK, 3./4. Mai 2001, Universität Mannheim. Aus: www.berlinews.de/archiv/1896.shtml, Ausdruck vom 13.8.03.
  • Lizenz zum Gelddrucken (1994). In: Der Spiegel Nr. 23, S. 91-97.
  • Mohr, Joachim (1999): Geld für die Guten. In: Der Spiegel Nr. 36, S. 114-115.
  • Niedersächsischer Landtagsausschuss für Haushalt und Finanzen (2000): Beschlussempfehlung, Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1998/Entlastung. Drucksache 14/1823, 6.9.2000. 
  • Oppermann, Thomas (2000): „Studiengebühren kommen bald.“ Interview mit Niedersachsens Wissenschaftsminister. In: taz, 22.3.2000.
  • Priddat, Birger P. (1998): Titel und Effizienz. Über Professoren und Hochschulreform. In: Universitas Bd. 3, S. 378-382.
  • Reiz, Ulrich (1998): Pizza von der Polizei. In: Hamburger Abendblatt, 2.5.1998
  • Sachverständigenrat Bildung bei der Hans-Böckler-Stiftung (1998): Für ein verändertes System der Bildungsfinanzierung. Diskussionspapier Nr. 1/Oktober 1998, Düsseldorf.
  • Sieber, Georg M. (1999): Leserbrief. In: Der Spiegel Nr. 26.
  • Uchatius, Wolfgang (1999): Forschung und Lehre mit Gewinn. Wie geschäftstüchtige Professoren Firmen gründen, um ihr Wissen zu Geld zu machen. In: Die Zeit, 9.12.1999, S. 71-72.
  • Uni Kassel (2000): HHG-Novelle - Textvergleich mit markierten Änderungen. Synopse zum Stand des Kabinettsbeschlusses vom 29. Februar 2000 (Regierungsvorlage für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes vom 14.12.99), §§ 35 und 86a. Aus: www.forum.uni-kassel.de/hsr/hhg/syn00229.shtml, Ausdruck vom 12.4.03.
  • Uni Stuttgart (1995): Zur Finanzierung der Hochschulen, Diskussionspapier, 23.6.95: Aus: www.uni-stuttgart.de/faveve/Ueberregionales/HRK-zu-HS-Finanzierung.html, Ausdruck vom 12.4.03.
 

 
 
 

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